Der Aufschrei ist groß – die Sorge um unsere Demokratie ebenfalls: Bei den Wahlen zum Europaparlament und den Brandenburgischen Kommunalwahlen vergangenen Sonntag wurde die als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte AfD in Brandenburg zur stärksten Kraft gewählt. Junge Menschen zwischen 16 bis 24 Jahren stehen nun besonders im Zentrum der Debatte rund um einen Rechtsruck der deutschen Bevölkerung, denn bundesweit erhielt die rechtsextreme Partei Stimmen von knapp 16% der Erst- und Jungwählenden. Diese Entwicklung muss kritisch analysiert werden und sollte nicht mit jugendlicher Leichtfertigkeit abgetan werden. Dennoch dürfen diese Ergebnisse nicht zu einer pauschalen Verurteilung junger Menschen führen.
Die Wahlergebnisse signalisieren deutlich: ein großer Teil der Jugend glaubt den Parteien nicht, dass diese ihre Sorgen ernst nehmen und auf europäischer und kommunaler Ebene in ihrem (Zukunfts-)Sinne handeln. Junge Menschen leben in einer Zeit, in der multiple Krisen wie Kriege, Klimawandel, Inflation und Wohnungsnot die eigene Lebensgrundlage bedrohen und Unsicherheitsgefühle und Ängste auslösen. Politisch wird seit Jahren zu wenig für das Lösen dieser Probleme getan. Die Wahlentscheidung der vielen jungen AfD-Wählenden ist weniger Protest als Ausdruck von Unzufriedenheit und Vertrauensverlust in demokratische Parteien und Strukturen. Die Perspektiven und Anliegen junger Menschen werden nicht in dem Maße ernsthaft und konsequent aufgegriffen, wie es notwendig wäre.
Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Brandenburg fordern wir die demokratischen Parteien deshalb auf, die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahlen ernsthaft zu analysieren und jugendpolitische Perspektiven spürbar in ihre Arbeit einzubeziehen. Dazu gehört auch, dass Jugend(verbands)arbeit, Jugendsozialarbeit, politische Bildung, Medienbildung und kulturelle Bildung unter den gegebenen aktuellen, strukturellen und finanziellen Möglichkeiten ihre Aufgabe als Unterstützungssystem und als Erprobungs- und Erfahrungsraum für demokratische Willensbildungs- und Mitgestaltungsprozesse nicht umfassend und im notwendigen Maße ausüben können.
Der Zuspruch zu unserer Demokratie hängt auch damit zusammen, ob junge Menschen gefragt und einbezogen werden, sich ernst genommen fühlen und sich vielfältig, gesellschaftlich einbringen können. Wichtig dabei ist, dass ihre Sichtweisen, ihre Bedarfe und ihr Handeln Auswirkungen auf bestehende politische und gesellschaftliche Verhältnisse haben.
Grund zu Optimismus gibt es allerdings auch:
Die überwiegende Mehrheit der Wähler*innen zwischen 16 und 24 Jahre hat sich für pro-demokratische und pro-europäische Parteien entschieden. Keine andere Altersgruppe hat so themenzentriert gewählt, z.B. durch die Stimme für Kleinstparteien mit explizitem Themenfokus. Das zeigt, dass jungen Menschen dezidierte Themen, Werte und Lösungsansätze wichtig sind, die ihnen von Kleinstparteien geboten werden. Dieser Fakt sollte hoffnungsvoll stimmen, weil es Ausdruck einer bewussten Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen und gleichzeitig den Wahlprogrammen verschiedenster Parteien ist. Dies ist im Kern selbstbestimmtes, demokratisches Denken und Handeln.
Wer eine demokratische, offene und gestaltende Jugend will, der darf die Auseinandersetzung mit aktuellen Herausforderungen und einer nachhaltigen Bewältigung von Krisen nicht auf die Zukunft verschieben.
Wer verkennt, wie relevant die Ansichten, Ideen und Zweifel der jungen Generation für die Gegenwart sind, wie notwendig ihr Einsatz für eine Gesellschaft ist, in der alle zufrieden leben können, spielt Demokratiefeinden in die Karten.
Wer die Demokratie retten möchte, muss die Jugend mit aller Konsequenz unterstützen, u.a. durch:
- Möglichkeiten der Beteiligung,
- finanziell gut ausgestattete Jugendarbeit
- Förderung von politischen Bildungsprojekten
- Erarbeiten / Finden von Lösungen für aktuelle politische Krisen, die nicht zu Hauptlasten der zukünftigen Generationen gehen.
Wir fordern die demokratischen Parteien auf, sich aktiv und auf Augenhöhe mit der jungen Generation, ihren Bedürfnissen, Vorstellungen und Perspektiven zu befassen. Es ist höchste Zeit im Sinne einer jugendgerechten Gesellschaft zu handeln!