Thema für eine Jugendgeschichtsprojekt finden

Bei der lokalen Jugendgeschichtsarbeit gehen wir grundsätzlich vom Interesse der Teilnehmenden aus. Ausgangspunkt sind die Fragen an die Vergangenheit der Teilnehmenden, die oft ganz spontan entstehen und bei denen oftmals nicht ersichtlich ist, wie tief das Thema bearbeitet werden kann. Daher heißt es für Jugendgruppenleiter_innen, auf alles mental vorbereitet und offen für den Prozess zu sein. Dennoch gibt es einige Methoden, mit denen Fragen an die Vergangenheit provoziert und Interesse generiert werden können.

Fotoralley – mit offenem Blick durch den Ort

Ziele der Methode: Diese Methode bietet die Chance, den Ort mit den Augen der Teilnehmenden oder anderer Bewohner_innen des Ortes zu sehen und über die Identifizierung wichtiger Plätze für die Teilnehmenden hinaus unter Einbindung der Öffentlichkeit, Ideen für die Gestaltung dieser Orte zu finden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Fotorallye als Sozialraumspiel zu veranstalten. Im Folgenden werden 3 Variationen vorgestellt.

Fotoralley I – Bilderjadt als Bilderquiz

Zeit: Vorbereitungszeit für den/die Jugendgruppenleiter_in und ca. 120 Minuten für die Durchführung

Material: ausgedruckte Fotos, Papier, Stifte

Anleitung: Etwa 20 Bilder von der Stadt/Dorf werden von der Jugendgruppen_leiterin erstellt. Als Motive können bekannte/weniger bekannte Gebäude dienen, eine Haustüre, ein Denkmal, eine kleine Verzierung eines Gebäudes, eine interessante Perspektive aus ungewohnter Sicht. Zu jedem Bild werden Fragen gestellt:

  • Was steht auf der Gedenktafel neben dem Denkmal?
  • Wer wohnt in diesem Haus mit dieser Haustüre?
  • Wie viel Fenster hat das Gebäude?
  • Gibt es Hinweise darauf, wann das Gebäude entstanden ist?

usw.

Auswertung: Nach 90 Minuten kommt die Gruppe mit den Antworten zu jedem Bild zurück.

Quelle: http://www.praxis-jugendarbeit.de/spielesammlung/spiele-bilderrally-stadtspiel.html

Fotoralley II: Wohlfühlorte und Angsträume früher und heute

Zeit: 90 min bis 240 min

Material: Fotoapparate/Smartphones, evtl. Drucker, Papier und Stifte evtl. Klemmbrett oder Aufnahmegeräte

Anleitung:

1. Schritt: Die Teilnehmenden gehen (in Kleingruppen) mit Fotoappara-ten/Smartphones selbst auf Erkundungstour.

  • Fotografiert für euch wichtige öffentliche Wohlfühlorte und/oder Orte, an denen ihr euch nicht wohlfühlt.

Auswertung: In der Gruppe wird nach der Ralley ausgewertet, welche Orte die Teilnehmenden ausgewählt haben und die Gründe warum sie sich dort wohlfühlen oder eben nicht werden gesammelt.

2. Schritt: Auch früher hatten die Bürger_innen des Ortes solche Orte.

  • Befragt Personen in eurem Ort, welche Wohlfühlorte/Angsträume sie früher hatten

Auswertung: Berichtet von euren Interviews. Vergleicht die benannten Orte mit euren. Gibt es Unterschiede oder Gemeinsamkeiten?

Fotoralley III: Fotovergleich

Zeit: 180 – 360 min

Material: alte Fotoaufnahmen des Ortes, Fotoapparat, Smartphone, ggf. Stativ

Anleitung: Ein Fotovergleich kann dabei helfen, zu verstehen, dass sich die Umgebung im Zeitverlauf sehr ändert. Gibt es vielleicht schon Fotos mit Aufnahmen des Ortes von früher?

  • Sucht euch einige Fotos mit Aufnahmen eures Ortes von früher heraus, begebt euch in die Position der/des Fotograf_in und fotografiert die gleiche Szene.

Auswertung: Vergleicht die Fotos, welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten fallen euch auf? Was würdet ihr gerne mehr über das alte Foto oder dem, was auf ihm abgebildet ist wissen? Notiert eure Fragen.

Renovieren

Braucht euer Jugendclub nicht mal wieder einen frischen Anstrich oder die ältere Dame nebenan etwas Hilfe beim Renovieren? Oft sind es Zufallsfunde, die das Interesse an der Geschichte aufleben lassen:

  • Eine Zeitung von früher, die beim Renovieren gefunden wurde.
  • Ein Gegenstand, dessen Gebrauchswert für die heutige Generation nicht mehr schlüssig ist.
  • Ein Fotoalbum, welches viele Jahre auf dem Dachboden geschlummert hat, alte Schulhefte, Kleidung, ……

Initiiere als Jugendgruppenleiter Situationen die einen Ausgangspunkt für das Interesse der Jugendlichen bieten. Bereite dich darauf vor, dass dies ein lokales Jugendgeschichtsprojekt werden könnte.

Generationencafé

In vielen Orten gibt es Mehrgenerationenhäuser, Altenheime oder feste Treffen der älteren Generation. Diese sind eine Schatzkiste für die lokale Jugendgeschichtsarbeit. Warum nicht mal miteinander ins Gespräch kommen?

Zeit: Vorbereitungszeit und ca. 240 Minuten für die Durchführung des Cafés

Material: alles für eine gemütliche Kaffeerunde, Stifte und Papier

Anleitung: Initiiert ein Treffen mit der älteren Generation. Überlegt euch ein Thema für das Treffen, z.B. jung sein, Freizeit, Liebe. Bereitet euch mit einigen Fragen auf das Treffen vor und bittet eure Gäste Fotos, Objekte und Erinnerungen von früher mitzubringen. Notiert euch interessante Erzählungen und die Kontaktdaten einzelner Personen für eine ggf. spätere Vertiefung/Einzelgespräche

Auswertung: Wertet in der Gruppe das Treffen aus. Was fandet ihr interessant? Was war neu für euch? Was war unverständlich? Überlegt, ob und an welcher Stelle ihr weiterforschen möchtet.

Straßen Namen geben/ umbenennen

Straßennamen, Bezeichnungen für Plätze und Gebäude gibt es ganz unterschiedlicher Art. Es gibt Straßen, die sind nach der Richtung benannt, auf die sie verweisen, weil sich z.B. der nächste Ort in diese Richtung befindet. Es gibt ganze Viertel, die sind nach Bäumen benannt oder nach berühmten Wissenschaftler_innen oder Musiker_innen. Andere Straßennamen haben oft einen direkten Bezug zur Geschichte eines Ortes, zu wichtigen Ereignissen oder Persönlichkeiten, die den Ort geprägt haben. Sollten bei euch im Ort neue Straßen entstehen, könnt ihr der Kommune Vorschläge für deren Bezeichnung unterbreiten. Vielleicht gibt es auch Straßen oder Gebäudebezeichnungen aus früheren Zeiten, die umbenannt werden sollten?

Ziele der Übung: Den Ort bewusster kennenlernen. Bewusstsein für Veränderungen der Umgebung und Bezeichnungen schaffen. Fragen an den Ort entwickeln.
Zeit: mehrere Projekttreffen oder als eigenes längerfristiges Projekt

Material: Forschungsthemaabhängige Quellen

Anleitung 1: Recherchiert nach Persönlichkeiten oder Ereignissen, die für die Geschichte und heutige Identität eures Ortes wichtig waren. Fertigt ein Abstract dieser Person/dieses Ereignisses an und sammelt Argumentationen, warum gerade an diese Person/dieses Ereignis erinnert werden sollte. Entwickelt Bezeichnungsvorschläge und unterbreitet diese eurer Kommune. Dies könnt ihr auch ganz kreativ tun, in dem ihr die Namen auf Pappstraßenschilder malt, die dann aussehen, wie echte Straßennamenschilder.

Anleitung 2: In manchen Orten finden sich noch Bezeichnungen für Personen oder Ereignisse, mit denen man heute lieber nichts mehr zu tun haben möchte. So sind manche Schulen beispielsweise noch nach Pädagog_innen benannt, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus für die Verbreitung von menschenverachtender Ideologie stark gemacht haben.  Sofern ihr erreichen wollt, dass eine Straße- /ein Gebäude umbenannt werden sollte, recherchiert, wonach diese benannt wurden und findet Argumentationen, warum dies unbedingt umbenannt werden sollte.

Auswertung: Welche eurer Argumente waren überzeugend? Wie haben die Gemeindevertrerter_innen auf eure Initiative reagiert?

Mapping früher und heute

Versetzt euch in eine Zeit, in der es noch keine Navigationsgeräte gab …. Okay, ihr seid so weit: Gibt es von eurem Ort alte Karten, aus denen die früheren Straßennamen und Bezeichnungen für Plätze kenntlich werden?

Ziele: Den Ort bewusster kennenlernen. Bewusstsein für Veränderungen der Umgebung und Bezeichnungen schaffen. Fragen an den Ort entwickeln.

Zeit: 180 min.

Material: alte und aktuelle Stadtpläne

Anleitung: Vergleicht frühere Karten (aus unterschiedlichen Zeitschichten (Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR) mit den heutigen Bezeichnungen: Welche Namen haben sich geändert? Welche Namen sind gleich geblieben? Befragt die Anwohner_innen: Was verbinden sie mit den Straßennamen? Finden sie den Namen gut oder stört sie etwas daran? Haben sie selbst eine Umbenennung miterlebt?

Auswertung: Tauscht euch über eure Ergebnisse aus. Was war interessant? Was war neu für euch? Was habt ihr nicht verstanden?

Gestaltet eure eigene Karte: Wie würden die Straßen in eurem Ort heißen, wenn ihr sie bestimmen könntet?

Unbekannte Straßennamen

Ziele: Den Ort bewusster kennenlernen. Bewusstsein für Veränderungen der Umgebung und Bezeichnungen schaffen. Fragen an den Ort entwickeln.

Zeit: Nachmittag

Material: keines, ggf. Papier und Stifte

Anleitung: Geht durch euren Ort und schaut euch die Straßen- und Platzbenennungen an. Mit welchen Straßennamen könnt ihr etwas anfangen? Gibt es Straßen, die nach Personen benannt sind? Kennt ihr diese Personen? Gibt es Straßennamen, die auf ein früheres Ereignis hinweisen? Welche Ereignisse sind das?

Auswertung: Tragt die Ergebnisse im Plenum zusammen. Sucht euch eine Straße/einen Platz heraus und erforscht, wie es zu dieser Benennung kam. Auf wen oder was verweist die Benennung? Wie kam es zu der Benennung? Wer hat sich dafür eingesetzt? Zu welcher Zeit entstand die Benennung?